Auch wenn ich nun bereits seit über zehn Jahren in die Berge gehe habe ich mit Winter, Schnee und Gletscher nie wirklich Freundschaft, bzw. Bekanntschaft geschlossen. Mein Jahr in Tirol hat mich schon Ski-technisch sehr auf den Geschmack gebracht und mit dem Winterbiwak am Zirbitzkogel (siehe Winterbiwak am Zirbitzkogel) bin ich nun schlussendlich auch motiviert mich ohne Ski in Schnee und Eis zu wagen.
Im Juni 2020 wollten meine vier Mitstreiter und ich eigentlich eine knackige aber relativ unspektakuläre Besteigung des Montasch absolvieren. Das Spektakulärste erschien uns hierbei, aufgrund der geringen Ladekapazität des einzigen Autos, inmitten der Corona-Pandemie die Grenze nach Italien mehrfach innerhalb kurzer Zeit zu übertreten. Hannes und Johanna wurden nach Absetzen von Johannes und mir auf der Sella Nevea (deutsch: verschneiter Sattel) von Niki in Arnoldstein vom Bahnhof abgeholt. So brachte es Niki innerhalb von einer Stunde auf heiße drei Grenzübertritte am gleichen Ort – von Grenzbeamten jedoch weit und breit keine Spur.
Nachdem dieser erste Teil erfolgreich absolviert wurde konnten auf der Sella Nevea die Rucksäcke umgeschnallt werden. Nach einigen Metern in einer skurrilen Landschaft aus 60er-Jahre Beton-Bettenburgen, die den Anschein hatten nicht nur im Frühsommer sehr verlassen zu sein, ging es über eine breite Forststraße hinauf zum Rifugio Giacomo di Brazzà. Damit war das Tagesziel erreicht und nach einem gemütlichen Abendessen ging es zur Nachtruhe.
Foto 1 – Beim Aufstieg zur Hütte – Quelle: Żulinski 2020
Foto 2 – Blick von der Hütte nach Westen – Quelle: Żulinski 2020
Foto 3– Gleicher Blick etwas später – Quelle: Żulinski 2020
Foto 4 – Am nächsten Morgen der Blick nach Süden auf den Kanin – Quelle: Żulinski 2020
Wir waren die einzigen Gäste über Nacht und so waren wir am nächsten Morgen recht gut erholt und konnten voller Tatendrang in Richtung Gipfel aufbrechen. Dass es den Abend und die Nacht fast durchgehend geregnet hatte störte uns nicht besonders, der Hüttenwirt meinte, dass es nur die letzten Höhenmeter ein wenig Neuschnee gibt.
Das stimmte zunächst zwar noch, mehr Sorgen bereiteten uns dann aber recht bald die zahlreich vorhandenen Altschneefelder. Durch die fortgeschrittene Degradation der Schneekristalle durch die anhaltende Schneeschmelze war der Altschnee sehr hart ohne jedoch durchgefroren zu sein, da es die letzen Tage zu warm war. In Kombination mit der Neuschneeauflage war dies der perfekte Schmierfilm und wir hatten größte Mühe trotz Grödel / Steigeisen nicht auszurutschen.
Foto 5 – Beim Überqueren eines Altschneefeldes – Quelle: Żulinski 2020
Foto 6 – Die Mühen werden mit einem traumhaften Ausblick belohnt – falls der Himmel mal aufreißt – Quelle: Żulinski 2020
Da die Schneefelder zum Teil etwas weiter auseinander lagen hat uns das An- und Ausziehen der Ausrüstung sehr viel Zeit gekostet und wir waren ein gutes Stück hinter unserer Zeitplanung. Nun folgte der eigentlich unproblematische, aber durch die Anstrengung der Schneefelder und den immer dichter werdenden Nebel doch fordernde, Klettersteig auf den Grat.
Foto 7 – Manchmal muss man einfach steil gehen… – Quelle: Żulinski 2020
Foto 8 – …oder einfach mal abhängen – Quelle: Żulinski 2020
Am Grat angekommen wurde eine Entscheidung getroffen, die wir als Gruppe gut gelöst haben, aber trotzdem nicht leicht fiel. Zum Gipfel zogen wir nur noch zu dritt weiter, da der Aufstieg in Summe viel Zeit und Kraft gekostet hatte, der Nebel einfach nicht dauerhaft aufreißen wollte und ab hier der Neuschnee doch recht beträchtlich war. Die ausgesetzte aber grundsätzlich nicht schwierige Gratwanderung wurde so zu einer potenziellen Rutschpartie, die in jeder Sekunde hundertprozentige Konzentration abverlangte.
Foto 9 – Die Schlüsselstelle der Gratwanderung – Quelle: Żulinski 2020
Foto 10 – Das war am Gipfel…oder so – Quelle: Żulinski 2020
Den Gipfel haben wir dann doch recht rasch und unaufgeregt erreicht. Das Gipfelfoto haben wir in der Eile wohl vergessen. Auf dem Rückweg hat mich Niki allerdings fast mit einem Steinschlag zwangsbeglückt. Zum Glück hatten wir immer die Corona Abstandsregel im Kopf und so verabschiedeten sich die Gesteinsbrocken zwischen uns zu Tale.
Nachdem die Gruppe wieder vereint war konnten wir uns daran machen den ganzen Spaß rückwärts zu gehen. Leider verzog sich der Nebel noch immer nicht. Den Klettersteig passierten wir ohne Zwischenfälle. Jedoch zeigten sich die Schneefelder beim Abwärtsgehen von ihrer tückischsten Seite und es erwischte einige, die eine Abkürzung nach unten nehmen mussten. Der erste Platz, mit guten 50 Metern, geht an Johannes, der sich noch sensationell fangen konnte und sich elegant ins Geröll rettete – bis auf einige Schürfwunden war zum Glück nichts passiert.
Aus Jugendschutzgründen und für all jene mit schwachen Nerven folgen jetzt bunte Bildchen.
Fotos 11-15 – Sobald es wieder grüner wurde gab es Tiere nicht zu knapp und ohne Scheu – Quelle: Żulinski 2020
Nach diesem aufreibenden Tag hatten wir uns etwas Abwechslung verdient. Wie wäre es mit noch einem Klettersteig?! Oder ein wenig Instagram Hipster auf die Schippe nehmen an den Laghi di Fusine. Oder einfach noch ein bisschen Planschen am Faaker See.
Unterm Strich ein sehr gelungener Trip, der fordernd war und viel Spaß gemacht hat, nicht zuletzt dank einer tollen Truppe die gut als Team funktioniert hat 🙂
Fotos 16 – Am Kanzianiberg im Klettergarten I – Quelle: Żulinski 2020
Fotos 17 – Am Kanzianiberg im Klettergarten II – Quelle: Żulinski 2020
Fotos 18 – Posieren am Lago di Fusine inferiore I – Quelle: Żulinski 2020
Fotos 19 – Posieren am Lago di Fusine inferiore II – Quelle: Żulinski 2020
Fotos 20 – Der Lago di Fusine inferiore in seiner wahren Pracht – Quelle: Żulinski 2020
Fotos 21 – Posieren am Lago di Fusine superiore – Quelle: Żulinski 2020
Fotos 22 – Baden im Faaker See – Quelle: Żulinski 2020
2 Gedanken zu „Eine Rutschpartie mit Drahtseilakt – eine spätwinterliche Besteigung des Jôf di Montasio (Montasch) im Friaul“